von Hans-Georg Peitl

Die erste Versuchung und ihre moderne Gestalt

„Da sprach die Schlange zu der Frau: Ihr werdet keineswegs des Todes sterben, sondern eure Augen werden aufgetan werden, und ihr werdet sein wie Gott und wissen, was gut und böse ist.“
(Genesis 3,4-5)

Der Satz, mit dem alles begann, ist kein Angriff mit Gewalt, sondern eine Verführung mit Autonomie.
Nicht Hass gegen Gott, sondern das Versprechen, ohne ihn auszukommen.
„Ihr werdet sein wie Gott“ – das ist der Anfang der Selbstvergottung des Menschen, der sich von nun an selbst zum Maßstab erhebt.

Der Teufel bietet keinen neuen Gott an. Er bietet Selbstbestimmung ohne Ursprung:
Die Freiheit, selbst zu definieren, was gut und böse ist.
Damit wird das Fundament der Schöpfung untergraben – nicht durch Auflehnung, sondern durch Selbstherrschaft.

Seitdem wiederholt sich diese Versuchung in immer neuen Formen:

.) in der Philosophie, die sagt: „Der Mensch ist das Maß aller Dinge.“
.) in der Politik, die sagt: „Das Volk ist die Quelle aller Autorität.“
.) in der Wissenschaft, die sagt: „Wir erklären alles – auch Gott.“
und
.) in der Religion, die sagt: „Wir gestalten uns den Glauben selbst.“

Doch die Konsequenz ist stets dieselbe:
Sobald der Mensch selbst zum Richter über Gut und Böse wird, verliert er die Mitte.
Er steht dann nicht mehr unter Gott, sondern neben ihm – und am Ende gegen ihn.

Die Moderne nennt das „Emanzipation“.
Die Bibel nennt es beim alten Namen: Satanismus – der Geist der Trennung, die Selbstvergottung des Geschöpfes.

Gott aber ruft den Menschen zurück – nicht in Knechtschaft, sondern in Wahrheit.
Denn Freiheit ist nicht Unabhängigkeit, sondern Geborgenheit in der Ordnung Gottes.
Nur dort, wo der Mensch nicht Gott sein will, kann er wirklich Mensch sein.