von Hans-Georg Peitl

Sind wir einmal ehrlich:
Österreich lebt keine Demokratie. Zumindest nicht im Vergleich zu anderen EU-Staaten.

Wenn in Ungarn eine Demonstration untersagt wird, dann kann man sich – wie bei der „Bride“ – darauf verlassen, dass trotzdem 200.000 Menschen auf die Straße gehen.
Sie zeigen: „Wir lassen uns Demokratie nicht verbieten.“

Wenn sich in Bulgarien ein Politiker wie Bojko Borissow dabei erwischen lässt, wie er Gelder nach Mallorca verschiebt, dann stehen tagelang – nein: 287 Tage lang durchgehend – Menschen auf den Straßen. Und rufen ein Wort, das in Österreich längst aus der Mode gekommen ist:
„Ostavka.“ – Rücktritt.

Und Österreich?
Österreich – das gerne mit dem moralischen Zeigefinger auf „den Osten“ deutet – tut so, als sei alles in bester Ordnung.
Hier sind Volksbegehren und Petitionen nichts weiter als höflich formulierte Vorschläge.
Die allermeisten werden abgelehnt.

Als Journalist musst du aufpassen, dass du dir nicht die Zunge verbrennst –
sonst findest du dich schneller vor Gericht wieder, als du das Wort Pressefreiheit zu Ende buchstabieren kannst.

Und Demonstrationen?
Mehrtägige Versammlungen? Chancenlos.
Stundendemos? Mutprobe.
Denn nicht nur der Staat zeigt Präsenz – auch der Nachbar, der Kollege, der Arbeitgeber.
Hierzulande traut sich kaum jemand, sich öffentlich zu zeigen – aus Angst, man könnte gesehen werden.

Und währenddessen veröffentlichen „Reporter ohne Grenzen“ ihre jährlichen Berichte, in denen sie mit bemerkenswerter Grenzenlosigkeit behaupten, die Demokratie funktioniere im Osten schlecht.
Ein Hohn, den man sich leisten kann –
wenn man nicht vergleichen will.

Denn mein Vergleich kommt zu einem anderen Ergebnis.

Glaubst du nicht?
Geh doch einfach mal auf eine Demo.
Aber vielleicht vorher noch: anonym.